Literatur und Gesellschaft im Mittelalter
Kreative Ideenbörse Deutsch in der Sekundarstufe II
- Typ:
- Unterrichtseinheit
- Umfang:
- 32 Seiten (0,4 MB)
- Verlag:
- Mediengruppe Oberfranken
- Autor/in:
- Roland, Reiner
- Auflage:
- (2004)
- Fächer:
- Deutsch, Geschichte
- Klassen:
- 11-13
- Schulform:
- Gymnasium
Wenn sich die Deutschen mit dem Mittelalter befassten, waren ihre Versuche seit jeher mehr von Mythen, Wünschen und Projektionen als vom Kennen und Wissen geprägt. Das gilt für die Literaturwissenschaft leider kaum weniger als für politische und soziale Bewegungen. Unbefangen und vorurteilsfrei war der Blick auf die Zeit, in der die ersten namentlich bekannten deutschen Schriftsteller mit „weltlicher“ Literatur auftraten, nur selten und spätestens im 19. Jahrhundert wurden die ideologiegeleiteten Bilder perfektioniert. Sahen die einen im „finsteren Mittelalter“ nur eine Geschichte der Kulturlosigkeit und des Verfalls, von dem sich alle modernen, aufgeklärten Errungenschaften, Rationalität und Wissenschaft, umso vorteilhafter abhoben, verklärten andere im Gefolge der Romantik das Mittelalter zur Butzenglas-Idylle, zu einer „besseren Welt“, nicht selten verbunden mit nationalen Tönen vom „echten deutschen Geist“.
Auch bei unseren Schülern treffen wir zum Teil recht eigenartige Vorstellungen vom Mittelalter an. Heute sind diese allerdings weniger von politischen Theorien oder religiösen Weltdeutungen beeinflusst, sondern von den Unterhaltungsmedien geformt. Filme wie die „Herr-der-Ringe“-Trilogie spielen zwar explizit in einer fiktiven Welt, bedienen sich aber vieler Bilder und Zeichen, die eindeutig nach mittelalterlichen Vorbildern geschaffen sind, vom ritterlichen Schwertkämpfer bis hin zu Königen, Fürsten und Prinzessinnen. Keine Frage: Dieses Mittelalter ist populär. Aber ist es auch das wirkliche? Ist aus diesem Interesse die Bereitschaft der Schüler abzuleiten, sich auf Texte einzulassen, die sie zunächst noch nicht einmal dem Wortsinn nach verstehen können und die sich, nach Entschlüsselung und „Übersetzung“, als höchst artifiziell und zeremoniell, dabei wenig originell entpuppen? Wohl kaum, zumal die Bereitschaft, Rezeptions-schwierigkeiten mit Anstrengung zu begegnen, generell stark abgenommen hat.
Es liefert uns aber zumindest Ansatzpunkte. Die vorliegende Einheit setzt also genau da an, wo der durchschnittliche Mittelalter-Rezipient abgeholt werden muss: bei den Schlagwörtern Minnesang und Ritter. Darüber hat man schon etwas gehört, vielleicht sogar in der Schule, hier besteht ein gewisses Vorverständnis. Die Einheit arbeitet nur mit einfachen Texten, die einen eigenen Zugang zulassen, und bietet zur Sicherheit zusätzlich überall die entsprechenden Übersetzungen ins Neuhochdeutsche an. Sie verwendet Bilder und beschränkt sich, was das inhaltliche Verständnis angeht, auf einige wenige Aspekte. Sollte es gelingen, damit ein stabileres Interesse bei den Schülern zu wecken, sind Vertiefungen an vielen Stellen möglich, zumeist sind diese Stellen im Unterrichtsverlauf auch entsprechend gekennzeichnet. Geeignet ist die Einheit sowohl für einen kurzen, kursorischen Einblick, zum Beispiel zur Vorbereitung einer längeren Lektüre, als auch zur Verwendung im Rahmen eines gerafften Epochenüberblicks. Einzelne Themen oder Materialien sind meist so angelegt, dass sie sich leicht auch für Einzelstunden oder zur Verwendung in anderen Unterrichtseinheiten aus dem Zusammenhang lösen lassen.
Die einzelnen Unterrichtsschritte im Überblick:
- 1. Schritt: Das Mittelalter – ein „ferner Spiegel“?
- 2. Schritt: Von Rittern und Falken
Lernziele:
- Die Schüler lernen Gedichte und (in Auszügen) Versepen aus der Zeit des hohen Mittelalters kennen
- Sie treten in Kontakt zum Mittelhochdeutschen, der ersten deutschen Hoch- und Literatursprache und erarbeiten Regeln zur Schreibweise und Aussprache
- Sie lernen die literarisch formulierten Ideale der Ritterschaft kennen
- Am Falkenmotiv studieren sie die Möglichkeiten eines literarischen Bildes
- Sie setzen sich mit dem “Minnedienst” auseinander und erkennen, dass “Minne” ein gesellschaftliches Ritual darstellte
- Sie erfahren die mittelalterliche Literatur als Gebrauchskunst im Dienste der Selbstdarstellung eines neuen Standes, einer um Anerkennung als Adlige bemühten Schicht
- Sie überprüfen die Ideale der Ritterschaft kritisch an Zeugnissen der Geschichtsschreibung
- Sie setzen sich mit dem Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit auseinander