Heinar Kipphardt – Bruder Eichmann
Das Dokumentartheater im Deutschunterricht
- Typ:
- Unterrichtseinheit
- Umfang:
- 30 Seiten (1,7 MB)
- Verlag:
- Mediengruppe Oberfranken
- Autor/in:
- Descourvières, Benedikt
- Auflage:
- (2019)
- Fächer:
- Deutsch
- Klassen:
- 11-13
- Schulform:
- Gymnasium
Einen weiteren NS-Kriegsverbrecher behandelt Heinar Kipphardts (1922-1982) Dokumentartheatertext „Bruder Eichmann“ (1982). Darin setzt sich der neben Peter Weiss bedeutendste Vertreter der bundesdeutschen Dokumentarliteratur mit dem nationalsozialistischen Massenmörder Adolf Eichmann auseinander. In dessen Aussagen sah Kipphardt die Möglichkeit, faschistisches Denken beispielhaft als Modell eines unkritischen Funktionierens in verbrecherischen Strukturen vorzuführen.
„Bruder Eichmann“ lässt sich einzeln wie auch mit Blick auf thematische, dokumentarästhetische und historische Parallelen ergänzend zum Faktenroman „Das Verschwinden des Josef Mengele“ lesen.
Kompetenzen und Unterrichtsinhalte:
- Die Schülerinnen und Schüler erschließen sich über den Inhalt des Theatertextes die Dimensionen der behördlich geregelten Organisation des nationalsozialistischen Völkermords.
- Sie erarbeiten sich Aufbau, Gliederung und Wirkung des Theatertextes.
- Sie erschließen sich über die exemplarische Analyse der ersten Szene die expositorische Funktion des Dramenanfangs.
- Sie untersuchen zentrale Komponenten des Verhaltens Adolf Eichmanns als „Eichmann-Haltung“.
- Sie erarbeiten sich die Schreibmotivation des Autors.
- Sie analysieren beispielhaft ausgewählte Analogieszenen als ‚Explikation der Eichmann-Haltung‘ in der Gegenwart.
Die Behandlung von Kipphardts „Bruder Eichmann“ im Deutschunterricht ermöglicht die Begegnung der Schülerinnen und Schüler mit dem neben Peter Weiss bedeutendsten Vertreter der bundesdeutschen Dokumentarliteratur. Sie stellt sich insbesondere angesichts gegenwärtiger rechtspopulistischer Konjunkturen und steigender antisemitischer Übergriffe der anhaltend aktuellen pädagogischen Herausforderung einer Erziehung zum mündigen Menschen.
Exemplarisch kann mit „Bruder Eichmann“ aufgezeigt werden, dass alle Menschen einer Gemeinschaft Verantwortung dafür tragen, menschenverachtenden Diskriminierungen und rassistischen Ausgrenzungen entgegenzuwirken, weil sich beides (leider) nicht mit dem historischen Untergang der nationalsozialistischen Diktatur erledigt hat, sondern sich potenziell in vielen Alltagssituationen der Gegenwart finden kann.
Der Blick auf Kipphardts Dokumentartheaterstück „Bruder Eichmann“ ergänzt zudem die Lektüre des Faktenromans „Das Verschwinden des Josef Mengele“ von Olivier Guez, zu dem diese Lieferung einen Unterrichtsentwurf enthält. Gemeinsam ist beiden Texten bei allen gattungspoetologisch bedingten Unterschieden der faktuale Zugriff, d. h. die starke Faktenorientierung. Ferner thematisieren beide Texte NS-Kriegsverbrecher und deren jahrzehntelanges unbehelligtes Leben in der Nachkriegszeit. Textästhetisch arbeiten beide Autoren mit intertextuellen Referenzen und intermedialen Effekten, indem sie Grenzen zu anderen Medien gezielt überschreiten. Inhaltlich weisen sie mit dem Kain-Motiv und mit den Rechtfertigungsstrategien der Täter stilistische und formale Parallelen auf.