Kürzestgeschichten - besondere Momente wahrnehmen und sprachlich gestalten
Momentaufnahmen schreibend ausschöpfen
- Typ:
- Unterrichtseinheit
- Umfang:
- 39 Seiten (1,5 MB)
- Verlag:
- RAABE
- Auflage:
- 1 (2021)
- Fächer:
- Deutsch
- Klassen:
- 9-10
- Schulform:
- Gymnasium, Realschule
Momentaufnahmen in Kunst und Literatur versuchen festzuhalten, worin die Besonderheiten eines Augenblicks oder einer Situation liegen. Sie darzustellen ist die Aufgabe der Künstlerin oder des Schriftstellers, sie nachzuempfinden die der Betrachterin oder des Lesers. Diese Schnittstelle soll in der Unterrichtseinheit ausgelotet werden. Die Schülerinnen und Schüler werden sensibilisiert, besondere Momente zu sehen und sprachlich auch selbst zu gestalten.
Inhaltsverzeichnis:
- Vorbemerkungen
- M 1: Angefangene Gedanken weiterdenken
- M 2: Über Schnee und anderes Wetter philosophieren
- M 3: Poesie auf der Baustelle finden
- M 4: Schwimmen und eine Parabel deuten
- M 5: Vom Stuhl fallen und die Welt erkennen
- M 6: Einfach nur daheim sein
- M 7: In fremde Höfe schauen
- M 8: Tiny Tales verstehen und schreiben
- M 9: Schön sein und schöner sein wollen
- M 10: Rückkehrer und Leerstellen sehen
- Lösungen
Die Schülerinnen und Schüler …
- lassen sich auf Texte mit verdichteter Botschaft ein und finden die inhaltlichen Essenzen,
- erkennen die teils verblüffenden Pointen solcher Kürzestgeschichten,
- ziehen Erkenntnisse aus Detailbeobachtungen wie z. B. grammatischer Analyse,
- entwickeln durch konkrete Anleitung Freude an eigenen Schreibprozessen,
- erarbeiten sich eine eigene Haltung anhand zentraler Lebensfragen.
Zentrale Kompetenzen:
In dieser Unterrichtseinheit wird insbesondere die Weiterentwicklung der Schreibkompetenz gefördert:
- zentrale Schreibformen beherrschen und sachgerecht nutzen, insbesondere das interpretierende und kreative Schreiben,
- produktive Schreibformen nutzen, insbesondere umschreiben, weiterschreiben, ausgestalten, auch zu Vorlagen (Fotografien) schreiben,
- Textschemata erfassen und selbst nutzen,
- Ergebnisse einer Textuntersuchung darstellen, auch in verkürzter Form oder skizzenhaft,
- sprachliche Bilder deuten,
- stilistische Gestaltungsmittel erkennen und darstellen,
- sprachliche Mittel gezielt einsetzen,
- Textdeutungen begründen,
- Texte digital verfassen und überarbeiten.
Die Kürzestgeschichte ist als Gattungsbegriff sowohl in der didaktischen Diskussion wie auch in der Schulpraxis nicht besonders prominent, obwohl es die dahinterstehenden Texte schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt (Brecht, Kafka). In der Folge verfassen Autoren wie Wolf Wondratschek, Peter Bichsel, Ror Wolf, Heimito von Doderer, Helmut Heißenbüttel, Günter Kunert und später auch Botho Strauß ab den 1950er-Jahren die Kürzestgeschichten, die heute zum Kernbestand dieser Gattung gezählt werden. Genauso wenig sind die Gattungsmerkmale exakt festgelegt, wenngleich sich doch herauskristallisiert hat, dass eine deutlich erkennbare Handlungsreduzierung ein wesentliches Kennzeichen darstellt. Handlungsstränge werden häufig nur noch angedeutet und nicht weiter ausgeführt. Folglich bleiben auch inhaltliche Füllungen, die an die Handlungsstränge gekoppelt sind, rudimentär. Die Autoren haben scheinbar ein Interesse daran, ihre Leser durch Anspielungen, die dann nur sehr gezielt ausgeführt werden, anzuregen und mitunter auch zu verblüffen. So münden die Kürzestgeschichten in aller Regel in eine unerwartete Erkenntnis oder Pointe und lassen Leserinnen und Leser meist mit dem Auftrag zurück, sich ihrer eigenen Haltung zu vergewissern. Insofern verfolgen die meisten Kürzestgeschichten per se eine didaktische Intention und erinnern zudem an Fabeln, Parabeln, Kalendergeschichten, Anekdoten, Witze und andere literarische Kurzformen, die diese eher jüngere Gattung vorgeprägt haben. Dazu gehört natürlich auch die aus dem Amerikanischen kommende Kurzgeschichte. Weitere Ausformungen der Kürzestgeschichten zielen zudem ins Surreale oder Groteske, die Tiny Tales von Florian Meimberg verbinden zudem Elemente von literarischer Fantastik mit politischen und historischen Themen, literarisch gewürzt mit Schockeffekten.
Die verdichteten Botschaften der Kürzestgeschichten weisen deutlich über das sprachliche Gefüge der kurzen narrativen Einheiten hinaus in einen durchaus emotionalen und dann auch kognitiven Verarbeitungsprozess.
Einfach gesagt: Lesende haben damit zu tun, das Gelesene nachhaltig zu erleben und zu genießen. Sie erkennen den besonderen Moment, entweder weil sie ihn aus eigner Erfahrung teilen oder weil sie das Fremderlebte nachvollziehen können. Hier setzt die Konzeption dieser Unterrichtseinheit an: Die Wahrnehmung und weitere Gestaltung dieser Momentaufnahmen im persönlichen Schreibprozess.